Entscheidungen der Wohnungseigentümer erfolgen regelmäßig durch Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung, § 23 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Dabei ist Versammlung davon geprägt, dass sich jeder Eigentümer zu den in der Tagesordnung vorgesehenen Beschlussanträgen äußern darf und zu jedem Antrag ein Beschluss gefasst wird. Von diesem Verfahren kann jedoch mit dem sogenannten Umlaufverfahren abgewichen werden. Gemeint ist damit, dass – ohne Eigentümerversammlung – ein wirksamer Beschluss (sogenannter Umlaufbeschluss) herbeigeführt wird, sofern alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu dem entsprechenden Beschlussantrag schriftlich erklären, § 23 Abs. 3 WEG.
Wer das Umlaufverfahren auf welche Weise einleiten kann
Das schriftliche Beschlussverfahren kann von folgenden Personen initiiert werden:
- Verwalter
- Vorsitzender des Verwaltungsbeirats oder dessen Vertreter
- Jeder einzelne Wohnungseigentümer
Zur Einleitung des schriftlichen Beschlussverfahrens bestehen zwei Möglichkeiten: Der Initiator nimmt in einem Schreiben den Beschlussantrag (idealerweise nebst den Gründe dafür) auf und
- richtet das Schreiben gesondert an jeden einzelnen Wohnungseigentümer mit der Bitte, zum Beschlussantrag im Schreiben seine Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung zu erklären und das Schreiben unterzeichnet zurückzureichen (Umlaufverfahren im weiteren Sinne)
- erstellt ein einziges Anschreiben und richtet dies an den ersten Wohnungseigentümer mit der Bitte, zum Beschlussantrag im Schreiben seine Zustimmung zu erklären und das Schreiben unterzeichnet an den nächsten Eigentümer weiterzureichen, wobei dieser das Schreiben nach Zustimmung und Unterzeichnung an den übernächsten Eigentümer weiterreichen bzw. der letzte Eigentümer das Schreiben nach Zustimmung und Unterzeichnung zurückreichen soll (Umlaufverfahren im engeren Sinne).
Aus dem Schreiben für das Umlaufverfahren muss klar und eindeutig ersichtlich sein, dass eine verbindliche Entscheidung über den darin enthaltenen Beschlussantrag und keine unverbindliche Meinungseinholung gewollt ist (Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 08.06.2006, Az.: 4 W 82/06). Fehlt es an der unmissverständlichen Initiative zur verbindlichen Entscheidung, wird das schriftliche Beschlussverfahren erst gar nicht in Gang gesetzt.
Wirksamkeit des Umlageschlusses: Diese Voraussetzungen müssen vorliegen
Damit der im Umlaufverfahren gefasste Beschluss wirksam ist, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft: Ohne Zuständigkeit keine Entscheidung
Auch beim Umlaufverfahren sollte darauf geachtet werden, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die für eine Entscheidung über den Antrag erforderliche Beschlusskompetenz hat. Dies ist bei Angelegenheiten der ordnungsgemäßen Verwaltung, bei Gebrauchsregelungen über eine Gemeinschaftsfläche oder dem Aufstellen einer Hausordnung der Fall. Demgegenüber ist etwa für die Veränderung der Zweckbestimmung des Gemeinschaftseigentums eine Vereinbarung notwendig.
Ohne Beschlusskompetenz ist der Umlaufbeschluss nichtig, zumindest jedoch anfechtbar. Zudem entfachen allein durch Vereinbarung regelungsfähige Angelegenheiten nur dann Wirkung gegen einen Rechtsnachfolger, wenn die betreffende Vereinbarung im Grundbuch eingetragen ist, § 10 Abs. 3 WEG.
Schriftform, Originalunterschrift, Vollmachten: Diese Formalitäten gelten
Im Umlaufverfahren müssen alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu einem Beschluss schriftlich erklären, § 23 Abs. 3, 2. Halbsatz WEG. Voraussetzung für die Wirksamkeit des Beschlusses ist daher, dass jeder (Mit)Eigentümer die Zustimmung durch eigenhändige Unterschrift erklärt und die Zustimmungserklärung mit der Original-Unterschrift dem Initiator des Umlaufverfahrens übermittelt. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Zustimmung per Telefax, Email oder SMS erklärt wird, da die Original-Unterschrift fehlt.
Steht eine Wohnung im Eigentum von mehreren Personen (etwa Ehegatten oder Erbengemeinschaft), müssen
- alle Miteigentümer unterschreiben oder
- der Unterzeichner eine Original-Vollmacht der anderen Miteigentümer beifügen
Allstimmigkeit des Umlaufbeschlusses: Zustimmen muss jeder, der im Grundbuch steht
Allstimmigkeit ist mehr als Einstimmigkeit. Stimmen etwa in einer Eigentümerversammlung alle anwesenden Eigentümer einem Beschlussantrag zu, ist dieser zwar einstimmig gefasst. Aber die Wohnungseigentümer, die der Versammlung ferngeblieben sind, werden nicht berücksichtigt. Demgegenüber beinhaltet die Allstimmigkeit die Zustimmung sämtliche Wohnungseigentümer, die im Grundbuch eingetragen sind.
Da beim Umlaufverfahren „alle“ Wohnungseigentümer dem Beschlussantrag zustimmen müssen, vgl. § 23 Abs. 3 WEG, ist für die Wirksamkeit eines schriftlich gefassten Beschlusses die Allstimmigkeit erforderlich. Ob dabei in einer Eigentümerversammlung über den Antrag mit Mehrheitsbeschluss hätte entschieden werden können, spielt für das Umlaufverfahren keine Rolle.
Lehnt auch nur ein Wohnungseigentümer den zu fassenden Beschluss ab oder enthält er sich der Stimme, ist das schriftliche Beschlussverfahren mangels Allstimmigkeit gescheitert.
Kein Stimmrechtsverbot im Umlaufverfahren
Stimmrechtsverbote für Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung gelten nicht im Umlaufverfahren (Bayrisches Oberstes Landesgericht (BayObLG), Beschluss vom 19.09.2001, Az.: 2 Z BR 89/01). Eigentümer, die also in der Versammlung etwa wegen einer Interessenkollision vom Stimmrecht ausgeschlossen wären, müssen daher bei einem Umlaufbeschluss abstimmen. Andernfalls ist die für die Wirksamkeit des Beschlusses erforderliche Allstimmigkeit nicht gegeben.
Begründet wird der Wegfall des Stimmrechtsverbots damit, dass der betreffende Eigentümer im schriftlichen Beschlussverfahren die Willensbildung der Wohnungseigentümer nicht beeinflussen kann.
Bekanntgabe macht Umlaufbeschluss erst wirksam
Erst die Feststellung und Bekanntgabe des Ergebnisses des Umlaufverfahrens gegenüber den Wohnungseigentümern führt dazu, dass der Beschluss wirksam zustande kommt (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 23.08.2001, V ZB 10/01). Die Bekanntgabe erfolgt regelmäßig durch den Verwalter und kann etwa durch Rundschreiben an alle Eigentümer oder einem Aushang im Treppenhaus erfolgen.
Durchführung des Umlaufverfahrens: Wichtige Hinweise für die Praxis
Alle Meinungen der Wohnungseigentümer unter einen Hut zu bringen, ist bekanntlich schwierig. Das gilt erst recht bei größeren oder zerstrittenen Eigentümergemeinschaften. Eine Durchführung des Umlaufverfahrens scheidet hier regelmäßig von vornherein aus, da sich die dafür erforderliche Allstimmigkeit nicht herbeiführen lässt. Das schriftliche Beschlussverfahren ist daher meistens nur für kleinere Eigentümergemeinschaften geeignet. Dazu gehören auch die Fälle, bei denen die Eigentümer weiter entfernt wohnen (etwa bei Eigentumswohnungen zur Kapitalanlage oder Ferienanlagen).
Ein sehr probates Mittel kann das Umlaufverfahren jedoch sein, wenn ein Verwalter regelmäßig untätig bleibt oder seine Abberufung hinauszögert, in dem er keine Eigentümerversammlung einberuft. Hier kann mit einem Beschlussantrag „Abberufung des Verwalters“ im schriftlichen Verfahren dessen Tätigkeit sehr schnell beendet werden – wobei nicht vergessen werden darf, den Verwaltervertrag zu kündigen.
Soll ein das schriftliches Beschlussverfahren durchgeführt werden, empfiehlt sich zuerst ein Blick in die Gemeinschaftsordnung und in die Teilungserklärung. Dort kann etwa geregelt sein,
- ob nur die Einzelzustimmung (gesondertes Anschreiben an jeden Eigentümer) oder nur das Umlaufverfahren zulässig ist
- inwieweit Fristen zur Abgabe der Erklärungen der Eigentümer einzuhalten sind
- auf welche Weise Stimmrechtsvertretungen zulässig sind
Unzulässigkeit ist jedoch nach überwiegender Rechtsauffassung eine Regelung in der Gemeinschaftsordnung oder in der Teilungserklärung, wonach ein Umlaufbeschluss mehrheitlich gefasst werden kann (BayOLG, Beschluss vom 28.10.1989, Az.: 2 Z 63/80). Es bleibt also stets beim Erfordernis der Allstimmigkeit.
Möchte ein Wohnungseigentümer einen Beschluss im schriftlichen Verfahren herbeiführen, hat er die Möglichkeit, dazu den Verwalter um Hilfe zu bitten. Weigert sich der Verwalter (etwa weil es sich um seine Abberufung geht), bleibt es dem einzelnen Eigentümer unbenommen, das Umlaufverfahren selber durchzuführen. Dabei sind die von den anderen Eigentümern unterzeichneten Schriftstücke stets an den Initiator des Verfahrens zurückzureichen. Hat ein Eigentümer das Verfahren initiiert, muss er die Schriftstücke an den Verwalter übermitteln, damit dieser den Beschluss bekannt gibt.
Der Umstand, dass der Umlagebeschluss erst mit der Bekanntgabe wirksam wird, kann zu erheblichen praktischen Auswirkungen führen. Denn überlegt es sich ein Eigentümer plötzlich anders, besteht für ihn die Möglichkeit, seine Zustimmung bis zur Bekanntgabe zu widerrufen. Tritt dieser Fall ein, ist das Umlageverfahren mangels Allstimmigkeit gescheitert. Das gilt ebenso, wenn ein Beschluss verkündet wurde, aber tatsächlich nicht alle Eigentümer zugestimmt haben.
Umlagebeschlüsse sind ebenso wie die in der Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlüsse zur Beschlusssammlung zu nehmen.
Auch ein Umlagebeschluss kann angefochten werden. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der einmonatigen Anfechtungsfrist nach § 46 Abs. 1 WEG ist der Tag, an dem den Wohnungseigentümern das Ergebnis des schriftlich gefassten Beschlusses bekannt gegeben wird.